Ein alter Streit und ein kurioser dazu, denn physisch gesehen bilden Europa und Asien
eine einzige Kontinentalplatte -
Eurasien. Die alten Griechen teilten Europa
und Asien am Bosporus und nördlich längs durch das Schwarze Meer und am
Kaukasus.
Der Schwede
Philip Johan von Strahlenberg zog den Grenzverlauf im Auftrag
des russischen Zaren am Ural, dann südwestlich durch die Manytschniederung
im heutigen Tschetschenien nördlich des Kaukasus.
Wikipedia meint dazu: "Von dort aus setzt sich diese Grenze wie folgt in
südlicher Richtung auf dem eurasischen Festland fort: Das Ural -Gebirge, der
Ural -Fluss, das Kaspische Meer , der Kaukasus , das Schwarze Meer sowie der
Bosporus , das Marmarameer und die Dardanellen bilden den weiteren
Grenzverlauf. Doch nach wie vor sind diese Grenzlinien im Bereich des
Kaukasus nicht hundertprozentig definiert, denn statt des Gebirges wird teilweise auch die
Manytschniederung , die rund 300 km weiter nördlich liegt, als die dortige
innereurasische Grenze angesehen. Geht man davon aus, so würde der
diesbezüglich "umstrittene" Berg Elbrus tatsächlich zu Asien und nicht zu
Europa gehören. "
So oder so liegt Georgien südlich der Manytschniederung und gehört damit zu
Asien, aber wenn der Kaukasus die Grenze bildet, also der Hauptkamm, dann
wird es richtig lustig, denn dann liegen Schatili, Archoty, Omalo, Mestia, ein großer
Teil Chewsuretiens, das gesamte Tuschetien, Radscha und Swanetien und auch der
Elbrus in Europa, Tbilissi aber in jedem Falle in Asien.
Ein erhebendes Gefühl ist die Überquerung der asiatisch-europäischen Grenze
für uns auf unserer Reise durch Chewsuretien von Roschka
in Asien nach Schatili
in Europa im Juli 2004 gewesen:
Hier ist sie die Grenze, wir stehen genau darauf, im Rücken Europa:
Links: Wikipedia zum Elbrus
Ein ausführlicher Artikel zu diesem Thema von Tobias zur Mühlen
Elbrus - Der höchste Berg Europas?
Karte historische Grenzziehungen Europa/ AsienHier eine Erwiderung zum Thema von Heinz G. KattlackDie Artikel zur Frage der Eurasischen Grenze sind nett und auch humorvoll, letzteres schätze ich, sie sind aber nicht immer korrekt.
Zum Artikel Mühlen: Historisch, politische auch geologische Merkmale zur Grenzfindung bei Kontinenten zu bedenken, bringt nur Teilergebnisse. Relevant sind, wie Herr Mühlen richtig sagt, die geografischen, die übrigens bei Kontinenten alle anderen einschließen. Hier wird aber bei der Definition 50% zu kurz gegriffen und nur die physische Seite bedacht. Geografie ist die Wissenschaft von der Erdoberfläche und besteht aus Physischer - und Anthropogeografie (Kulturgeografie), die bei Fragen der Erdoberfläche, zumal bei Kontinenten nicht zu trennen sind.
Definition Kontinent: Größte Einheit der festen Erdoberfläche - getrennt durch Ozeane (einschließlich ihrer Mittelmeere) : Somit sollte das Schwarze Meer als ein Endpunkt der Grenzlinie gelten. Nehmen wir - wollen wir Europa finden, abtrennen - den Ural als (durchaus problematische) Grenze. Zum Fluss: Zwei größere Flüsse kommen als Grenzlinie bis zum Kaspisee in Frage: der Ural und der Emba. Beide sind kaum eine raumwirksame, anthropogeografische Grenze. Ich tendiere, wie viele Geografen (die Frage dieser Grenzlinie beschäftigte mich in den 60er Jahren im Studium und galt schon damals als abgeschlossen - und zwar in dem hier aufgeschreibenen Sinne) zum Emba, weil er in direkter Linie zum See in der Verlängerung der Kammlinie des Urals fließt. (Natürlich müsste der einfache Bürger sich einen 2ten Namen merken oder mal in den Atlas schauen). Im Gegensatz zu Uralfluss oder Emba oder Uralgebirge ist bei der Manytschniederung die Sache überraschend eindeutig. Rein physisch betrachtet, stimme ich Herrn zur Mühlen und vielen anderen auch oberflächlicheren Meinungen zu, aber das sind eben nur 50%. Die Manytschniederung ist ein altes Sumpfgebiet, eine Senke, die immer trennend zwischen Kaukasiern und Russen war und ist. Die Kaukasier selbst sehen sich nicht als Europäer, sind keine Slawen, gehören auch nicht zur indogermanischen Sprachfamilie. Auf Glauben, Sitten will ich gar nicht näher eingehen. Trotz der Sowjetzeit, die Landschaft ist durch sie geprägt, was entscheidend ist. Selbst die meisten der hier lebenden Russen sehen sich nicht in Europa. Auch physisch geografisch passt es prima (was nicht passt, wird passend gemacht), denn die Niederung ist Ende des Kaukasus Piedmont (Gebirgsfussfläche).
Ich habe bisher nicht herausbekommen, welcher - Unwissende - Nichtgeograf oder Geograf, der sich in die Problematik nicht eingelesen hat, den Gedanken, der Elbrus sei der höchste Berg Europas, in die Welt gesetzt hat. Mir ist er zum ersten Mal bei Reiseanbietern aufgefallen, die mit dem Elbrus ein Neues Geschäftsfeld erschlossen haben; übrigens mit Erfolg auch bei mir, aber in meinem Bergsammelalbum steht weiterhin der Mont Blanc als höchster Europas. Ich denke, mit der Selbständigkeit und dem wachsenden Selbstbewusstsein der kaukasischen Staaten wird sich die oben genannte Auffassung einbürgern - entgegen dem Motto, am (deut..., äh) europäischen Wesen soll ... , trotz "peakbagger"," peakware" und Co. Wir werden dann wohl wieder keinen 5000er haben - und dann noch die Franzosen!))
Beste Grüße
Heinz- G. Kattlack
Nun fielen mir aber dennoch ein, zwei Einwände ein:
Hallo Herr Kattlack,herzlichen Dank für Ihre Meinung zur geographischen Lage des Elbrus und zurGrenzziehung Europa/Asien. Ich stimme Ihrem Fachwissen in weiten Teilen zu. Dennoch hier einige ganzunwissenschaftliche Ergänzungen:Meiner Meinung nach gehört Georgien eher zum europäischen, denn zumasiatischen Kulturkreis. Die Einbindung in europäische Strukturen war vorallem im 11./12./13. Jahrhundert enorm und gewinnt auch in den letzten Jahren wieder an Bedeutung.Als Schwarzmeeranrainer und Nachfolger des pontisch-griechischen Kulturraums(Medea, Jason, Goldenes Flies, Prometheus etc.) trägt Georgien mit an einemTeil des europäischen Erbes.Die Abtrennung nach Asien hat vielleicht auch mit der Westexpansion derTürken bis nach Konstantinopel zu tun, da man die Türkei sicher im 17./18.Jhdt. auch aus politischen Gründen kaum zum europäischen Kulturkreis zählenwollte. Dass beispielsweise Odessa eindeutig nach Europa gehört, aber Batumi und Trabzonnach Asien, das will mir nicht recht einleuchten.Armenisch ist eine indogermanische Sprache.Vom Gefühl her sind Tbilissi, Eriwan und auch Baku doch eher europäischeStädte. Waren Sie mal hier ?Mit herzlichen Grüßen aus Tiflis,Nun eine vorläufig abschließende Antwort von Herrn Kattlack:
Mit der Wissenschaftlichkeit ist das halt so eine Sache, jede meint, sie sei die größte. Die Erdoberfläche ist eigentlich schon Gebiet der Geografie. Mit Georgien und besonders Armenien haben Sie recht, es gibt im anthropogeogr. Bereich immer Ausnahmen (Multikulti halt), Exklaven (?).
Was ist mit Ungarn, Finnland, Estland diesbezüglich? Der Nordural ist kaum eine 'Völkerscheide'. Na ja, allgemein bin ich eben der Meinung, dass Historisches wenig Relevanz hat (je weiter zurück, je weniger), weil Aktuelles, Sichtbares entscheident ist (auch hier keine Regel ohne Ausnahme), z.B. bei der Sprache: Kennen wir, bedenken wir, berücksichtigen wir noch die historische Entwicklung unser Sprache - sicher nicht (z.B. Lautentwicklungen, Herkunft der Wörter usw.).
Ähnlich ist es mit der Geologie (Hilfswissenschaft der Geografie) ((Geografenwitz, weil die meisten Geografen davon wenig Ahnung haben)), sie geht zeitlich (und räumlich) in die Tiefe, hat deshalb auf der Erdoberfläche wenig Relevanz, wenn auf ihr auch alle Entwicklung beruht. Geschickt 'gelöst' hat das Problem der Autor -Herr Hartmut Bielefeldt - der Liste "Die höchsten Berge der Welt", indem er bei Europa in der Titelzeile 'Kaukasus' ergänzt hat (deutlicher wäre nach meiner Meinung die Version 'Europa und Kaukasus'), so muss man den Kaukasus nicht an der Kammlinie halbieren.
Beneidenswerterweise sind Sie gerade vor Ort, wie wäre es mit einer Befragung der Armenier und Georgier zum Thema - aber nicht mogeln und nur die Oberschicht befragen?
Für mich bleibt es weiterhin okay, faszinierend und sehr romantisch, dass sich der Kaukasus irgendwie im schwer zu fassenden Niemandsland zu befinden scheint. Hauptsache, er bleibt ein kulturell, politisch und geografisch vielfältiges Zentrum unserer Welt:
AberHerr Kattlack lässt meine romantischen und unwissenschaftlichen Einwände nicht gelten:
Hallo Herr Buhr,
da ich Sie jetzt in Ihrem Blog sogar zu Pferde mit Einheimischen bewundert habe, bedaure ich, dass ich nicht mit Ihnen unterwegs war. Deshalb auch nochmal eine engere Antwort auf Ihre Rückfrage. Das genannte Foto ist nicht gerade europatypisch, und die Kaukasier sind sicher ein eigenes Volk, sicher mit griechischen, türkischen und wohl auch mongolischen Einschlägen, aber das ist heute wenig Merkmal. Wenn Sie am Ende sagen, "vom Gefühl her ... Europäer", so (abgesehen davon,dass keine Kontinenteinteilung die genannten Gebiete zu Europa zählt) bedenken Sie, dass sich heute (fast) die ganze Welt europäisch angezogen hat, aber deshalb keine Europäer, sondern 'nur' Weltbürger sind.
Einwand: Die Kaukasier sind natürlich kein eigenes Volk, sondern sehr viele kleine und sehr verschiedene Völker. Armenier, Georgier, Tschetschenen, Osseten (höchst wahrscheinlich sehr enge Verwandte der Deutschen, auch physiognomische Ähnlichkeiten sind frappierend) Aserbaidschaner, Lesghinen, Tscherkessen, weitere Sprachen (und Sprecher=Völker (?)) siehe hier bei Wikipedia
Einwand: Europäisch anziehen ? Die Europäer haben immens viele außereuropäische Einflüsse in Ihrer Mode, zu allererst natürlich amerikanische, aber natürlich auch viele asiatische.
Tiflis kenne ich nicht, aber laut Reiseführer sehe ich die Stadt nicht europäisch, mag es noch so viele Plattenbauten und Mc Donalds (s.o. "angezogen") da geben. Gleiches gilt für die Städte am Schwarzmeerbogen, die zwar vermtl. ein bestes europ. Klima haben, aber das Klima - obwohl es Teil der Phys. Geografie ist - darf als einziges geografisches Teilgebiet (einschließlich der Kulturgeografie) nicht mitreden, weil es weltweit (und breitenabhängig) wetterwendisch agiert.
Ergänzung: Tiflis ist voll von Bauten des Jugendstils, das Rathaus, die Oper, der Botanische Garten, die erste Apotheke und viele weitere Gebäude und Institutionen wurden von Europäern gebaut und gegründet. McDonalds dagegen hat Tbilissi nur zwei, und die Georgier nutzen diese eher für Kindergeburtstage, denn als Ersatz für die herausragende einheimische Küche.
Wahrscheinlich ist es - wenn Sie vom Gefühl her zu Ihren Einschätzungen kommen - die Liebe, Achtung, (u.ä.), die Sie für den Raum empfinden, die Sie dort Europa sehen lassen. Ich bin sehr in USA 'zu Hause', und meine amerik. Freunde sähen mich auch gerne als Amerikaner - und umgekehrt, aber es ist 100%ig sicher, dass selbst die weißen und 'germanischen' Amerikaner keine Europäer (mehr) sind. Ich selbst habe nur 3 kurze Kontakte in diesem (grob) Raum gehabt, 1. im Pamir Basislager (SU-Kirgisien) war ein russ. Uni-Dozent (Germanist), der dort die einzige Chance hatte, in seinen Ferien die Deutschkenntnisse zu vertiefen.Nach 'tiefen' und ehrliche Gesprächen ist seine Aussage gewesen: Wirkliche innige Kontakte zu Einheimischen sind eigentlich nicht drin, weil selbst 'Freunde' im 'Ernstfalle' zur Familie, auch weitläufigen Verwandten stehen, 2. bei meiner Elbrusbesteigung bin ich anno 2000 mit einem einheimischen Rentner und zwei aus der Gruppe noch auf dem Ostgipfel gewesen. Als sich abends die Frage nach dem höchsten Gipfel stellte, der deutsche und die russ. Reiseleiter(in) (aus Moskau) klar für den Elbrus als EU-Höchsten sprachen, fragte ich den Einheimischen, ob er sich als Europäer fühle, worauf er sich regelrecht empörte, 3. auf Ihre Georgienmeinung hin habe ich einen Kollegen angerufen, der in der Verwandtschaft eine Georgierin hat. Der hat Ihre Aussage etwas verdreht (evtl. habe ich auch etwas unklar dargestellt), dass georgisch eine indogermanische Sprache sei ((ich weiß es nicht)). Ob das so ist, wußte sie nicht, aber sie 'empörte' sich wohl innerlich, weil sie sagte, dass die georgische Schrift eigenständig und nicht aus dem Kyrillischen oder Altbulgarischen abgeleitet sei.
Georgisch ist keine indogermanische Sprache, sie bildet eine eigene Sprachfamilie die kartwelischen Sprachen (Georgien heißt auf Georgisch Sakartvelo) zusammen mit dem Swanetischen, Megrelischen und Lasischen.
Mehr hier
Viel Erfolg und immer passendes Wetter wünscht IhnenHeinz-G. Kattlack
Anmerkung: Warum ist Georgien eigentlich im Europarat ?
Sollte Georgien in +- 10 Jahren in die EU aufgenommen werden, und man will dann der Geografie Rechnung tragen, dann könnte man die Initialien beibehalten und daraus die Eurasische Union machen und zugleich das Tor für weitere strategische Beitrittsländer wie Kasachstan und die Mongolei öffnen...
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Chewsuren (Siedlungsgebiet in Chewsuretien, nördlich und südlich des Kaukasushauptkammes um 1910, Quelle: Wikipedia
...doch vielleicht hatte von Strahlenberg 1730 nur Bedenken den "wilden" Kaukasus zu durchqueren und machte lieber nördlich davon einen großen Bogen ? ;-)